Hoffnung auf ein neues Leben

Tag für Tag werden in Mumbai, dem ehemaligen Bombay, Mädchen und Frauen verkauft und zur Prostitution gezwungen. Für die Rescue Foundation zählt jede Einzelne von ihnen.

„Wer zahlt, bekommt. Minderjährige Mädchen werden wie Sklavinnen gehalten, jeglicher Widerstand wird mit Drogen und Folter gebrochen.“

Triveni Acharya, Präsidentin der Rescue Foundation

»Wieviel Wert schreibt man in einer Sechzehnmillionenstadt der Zahl Eins zu?«, fragt Suketu Mehta in seinem faszinierenden Buch Bombay – Maximum City. Triveni Acharya, Präsidentin der Rescue Foundation, kann diese Frage beantworten. Sie weiß genau, wie viel für die Mädchen und Frauen bezahlt wird, die jeden Tag – vor allem auch aus Nepal – in Mumbai eintreffen und noch nicht wissen, dass sie kein guter Job als Haushaltshilfe oder Kindermädchen erwartet, sondern dass sie längst Opfer skrupelloser Geschäftemacher geworden sind.

Manche von ihnen wurden schon auf dem Weg von Nepal nach Indien mehrmals weiterverkauft – von einem Menschenhändler zum nächsten. In Mumbai angekommen werden sie erneut taxiert: Ihr Alter wird geschätzt, ihr Aussehen beurteilt. Fast alle von ihnen sind minderjährig, viele noch nicht einmal 14 Jahre alt, wenn sie zur Ware gemacht werden. Manche haben ihr Dorf nie verlassen, bevor sie den Versprechungen der Menschenhändler glaubten und dem Traum einer besseren Zukunft folgten, der nun zum Albtraum wird.

Wie viel also ist die Ware Mensch wert? In Mumbai sind es zwischen 1 000 und 2 000 Euro, die Bordellbesitzer für gerade aus Nepal eingetroffene Mädchen zahlen. Eine Investition, die sich meistens in weniger als einem halben Jahr rechnet. Denn dies ist nicht das letzte Mal, dass die Mädchen verkauft werden. Von nun an müssen sie jeden Abend zum Kauf zur Verfügung stehen: Für Tausende Männer, die tagtäglich ganz selbstverständlich in die Rotlichtviertel der Metropole strömen. 3,50 Euro für 15 oder 30 Minuten – was bedeutet es für ein 14-jähriges Mädchen, wenn sein Wert darauf reduziert wird, anderen zur sexuellen Befriedigung zu dienen?

Auch diese Frage kann Triveni Acharya beantworten: »Schon nach kurzer Zeit haben viele jede Hoffnung aufgegeben, sie verlieren ihren Willen zum Leben«, berichtet sie. Doch nicht nur die physische und psychische Belastung wird mit jeder Vergewaltigung größer, auch das Risiko, mit HIV infiziert zu werden, steigt mit jedem Tag, den die Mädchen und Frauen zur Prostitution gezwungen werden. »Wir müssen schnell handeln«, so Triveni Acharya, »nur dann haben wir eine Chance, die schlimmsten Folgen zu verhindern und den Mädchen und Frauen wieder Hoffnung auf ein neues Leben zu geben.«

Dank der Rescue Foundation wurde dies für mehr als 100 Mädchen und Frauen, die bei 16 Rettungseinsätzen alleine bis Ende Oktober dieses Jahres befreit wurden, Wirklichkeit. Viele von ihnen konnten nach einer Übergangszeit im Rettungszentrum der Organisation in Mumbai bereits wieder in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückkehren. Außerdem ging mit der Eröffnung eines zweiten Rettungszentrums in Boisar ein lang gehegter Wunsch der Organisation in Erfüllung. Hier können die Mädchen und Frauen untergebracht werden, die aus verschiedenen Gründen – zum Beispiel, weil ihre Familien nicht gefunden werden konnten – nicht sofort nach Hause zurück können. Außerhalb Mumbais sind sie sicher untergebracht und können ihre traumatischen Erfahrungen langsam überwinden, während sie gleichzeitig die Gelegenheit haben, ihre Schulausbildung nachzuholen oder eine Berufsausbildung zu machen.

»In einem Elendsviertel in Bombay kann ein Mensch nur überleben, wenn sein Traumleben größer ist als seine armselige Unterkunft«, so das Fazit von Suketu Mehta. Doch was ist mit den Mädchen und Frauen, die schon längst nicht einmal mehr einen Traum zum Träumen haben? Ihnen gilt die Arbeit der Rescue Foundation. Die Mitarbeiter der Organisation akzeptieren nicht, dass Menschen zur Ware gemacht werden. Durch ihren beeindruckenden und unermüdlichen Einsatz schenken sie den betroffenen Mädchen und Frauen Hoffnung auf ein neues Leben.