Als Praktikant arbeitete Luca Graf von Oktober 2010 bis März 2011 mehrere Monate bei der Rescue Foundation. Er bekam in dieser Zeit einen umfassenden Einblick in das dortige Leben und die Arbeit der Organisation. Luca begleitete Rettungsaktionen, half bei Computer- und anderen technischen Problemen, führte ein Solarlaternen-Projekt durch (siehe Artikel zu Solarlaternen) und unterstützte, wo er konnte.
„In ihrem Gesicht konnte man die große Erleichterung sehen. Solche Lichtblicke sind all unsere Mühe wert.“
Triveni Acharya, Präsidentin der Rescue Foundation, nach der Rettung eines Mädchens aus einem Bordell in Mumbai.
Eine schmale wackelige Holztreppe, düsteres Licht, unheimlicher Gestank. Eine Hitze, die mit jeder Stufe, die man höher geht schlimmer wird. Am Ende eine vergitterte Tür mit einem großen Vorhängeschloss. Kein Ort, an dem ich länger als zwei Minuten sein möchte. Ich hätte die Möglichkeit zu gehen. Für die Zwangsprostituierten in Indien sieht die Realität aber ganz anders aus. Viele tausend Kunden strömen täglich in die Rotlichtviertel von Mumbai. Darunter Männer, die ohne Ihre Familie in die Städte gezogen sind um zu arbeiten, aber auch viele junge Männer meines Alters, um die Zwanzig. Leider.
Im Bordell sprechen wir mit zwei Prostituierten. Madam, die Puffmutter, schaut uns dabei zu und läuft nervös auf und ab. Die zwei Polizisten sitzen stillschweigend in der Ecke. Meine Gastmutter, Triveni Acharya, Leiterin der Rescue Foundation, stellt die Fragen. Als sie die junge Prostituierte mit dem Baby auf dem Arm fragt, wie alt sie sei, fängt auf einmal die Puffmutter an zu kreischen und schreit laut durch den Raum.
Jünger als 18, das war nun klar – aber das hätte die junge Teenagerin vor ihrer »Besitzerin« leider nie zugegeben …
Als ich am 13. September mitten in der Nacht in Mumbai gelandet bin, hatte ich noch keine Ahnung wie meine Aufgaben bei der Rescue Foundation aussehen werden. Dass die meisten Inder nicht viel im voraus planen, darüber wurde ich schon im Vorhinein aufgeklärt.
Nach ein paar Tagen im Büro wusste ich mehr und konnte beruhigt sein: ich bin hier nicht nur sehr willkommen, sondern kann auch viel helfen. Meine Aufgaben reichten von der Spendenakquise , über die Überarbeitung der Webseiten, ich habe die Organisation für Preisverleihungen vorgeschlagen, viele aktuelle Fotos gemacht und oft konnte ich den anderen Mitarbeitern bei technischen Problemen helfen. Mit Hilfe der BONO-Direkthilfe e.V. habe ich sogar ein eigenes Solarprojekt bei der Rescue Foundation durchgeführt. Zusammen mit indischen Kollegen haben wir sechs umweltfreundliche, solarbetriebe Straßenlaternen im Rehabilitations- und Ausbildungszentrum der Rescue Foundation in Lalonde aufgestellt (siehe Artikel zu Solarlaternen).
Oft habe ich mich gefragt, wie alles in Indien funktioniert: meistens ohne viel Planung und alle Beteiligten sind immer viel zu spät. Ich glaube, das verstehen wir Deutschen nicht, aber irgendwie klappt bei der Rescue Foundation zum Glück alles hervorragend. Jährlich werden über 300 zwangsprostituierte, meist minderjährige Mädchen aus den Rotlichtvierteln gerettet und rehabilitiert.
In fünf Monaten habe ich bei der Rescue Foundation viele Erfahrungen gesammelt, ich hatte viele Stunden des Grübelns und mindestens so viele Glücksmomente. Die Inder sind wunderbare, sehr gastfreundliche Menschen – allen voran Triveni, die Präsidentin der Rescue Foundation, die mich für die Zeit in Indien bei sich zuhause aufgenommen hat.
Ich fliege in Zukunft noch mindestens einmal nach Indien. Nicht nur, weil ich das meinen Freunden dort versprochen habe, sondern auch, weil ich noch einmal das Glück und die Dankbarkeit in den Augen der Mädchen sehen will, die aus den Bordellen gerettet wurden.