Aaron kann wieder Kind sein

Aaron* war erst zwei Jahre alt, als er aus einem unvorstellbaren Unrecht befreit wurde, das kein Kind jemals erleben sollte. Sein Vater, ein auf den Philippinen lebender Deutscher, hatte ihn und andere Kinder über Jahre sexuell missbraucht. Bilder und Videos davon verkaufte er über das Internet in alle Welt. Aaron konnte selbst nicht um Hilfe rufen, aber die Suche nach ihm hatte schon begonnen.

Aarons Geschichte beschreibt die erschütternde Realität der sexuellen Ausbeutung von Kindern über das Internet. Jeder Raum mit einer Webcam, einem Computer oder auch nur einem Handy kann zum Tatort werden – häufig sogar im eigenen Zuhause. Sexualstraftäter weltweit bezahlen dafür, sexuellem Missbrauch von Kindern über Livestreams zuzusehen und im Chat zu bestimmen, was vor der Kamera passieren soll.

Wie jedes andere Kind, verdient auch Aaron vor diesem entsetzlichen Verbrechen geschützt zu werden. Kinder wie er sollten unbekümmert spielen und träumen können in einem Zuhause, in dem sie elterliche Fürsorge und Geborgenheit erfahren. Stattdessen ließ sich Aarons Vater von „Kunden“ aus aller Welt dafür bezahlen, den Jungen live vor einer Webcam sexuell zu missbrauchen. Wie viele andere Sexualstraftäter fühlte auch er sich dabei sicher und unauffindbar in der Anonymität des Internets.

Aaron wird gefunden

Lange Zeit war Aaron seinem Vater wehrlos ausgeliefert, wenn er seinen Sohn und andere Kinder vor die Webcam holte. In Alpträumen verfolgte den Jungen, was ihm bei jeder „Sex-Show“ angetan wurde. 

Trotz Hinweisen deutscher und australischer Strafverfolgungsbehörden, verfügte die philippinische Polizei nicht über die nötige Ausstattung, die Spuren des Vaters im Internet zu verfolgen. Doch die lokalen Behörden ließen Aarons Fall nicht ruhen. In einem Ermittlungs-Workshop, den IJM gemeinsam mit philippinischen und internationalen Strafverfolgungsbehörden durchführte, nahmen sie die Spur wieder auf. In diesen hochspezialisierten Trainings werden Ermittlerinnen und Ermittler von Fachleuten anhand echter Fälle geschult. Sie erlernen Verfahren, um Betroffene wie Aaron sowie Täterinnen und Täter mithilfe von Indizien im Internet zu finden. Die Bearbeitung von Aarons Fall im Rahmen des Workshops von IJM lieferte den Ermittlungen der philippinischen Polizei entscheidenden Hinweise. Noch im selben Jahr konnten Aaron und die anderen Kinder aus der Ausbeutung befreit werden.

Aarons Vater wurde gefunden, verhaftet und wegen Menschenhandels und Verstößen gegen das philippinische „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornografie“ angeklagt. Auf seinem Computer stellten die Ermittelnden einschlägige Daten und Chatprotokolle sicher, die zur Verhaftung eines weiteren Sexualstraftäters in Berlin führten.

Zurück in ein kindgerechtes Leben

Heute ist Aaron fünf Jahre alt und lebt bei Pflegeeltern, die sich hingebungsvoll um ihn kümmern. Dank einer Schulung von IJM gehen sie gezielt und verständnisvoll auf seine Bedürfnisse als Betroffener von sexuellem Missbrauch ein. So konnte gemeinsam mit Sozialarbeiter/-innen von IJM ein Umfeld für ihn gefunden werden, in dem er das Trauma des sexuellen Missbrauchs schrittweise verarbeiten kann.

„Es ist eine Herausforderung, mit Klienten zu arbeiten, die so jung sind wie Aaron. Wir sehen heute immer mehr Kinder wie ihn. Kinder in diesem Alter brauchen persönliche Betreuung, ein starkes familiäres Umfeld und eine positive Bindung,“ erklärt IJM Sozialarbeiterin Stella Pueblos.

Umso wichtiger war es, für Aaron eine sichere und liebevolle häusliche Umgebung zu schaffen. Hier kann er behutsam wieder Vertrauen und gesunde zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen. Vor allem aber kann er einfach wieder Kind sein.

„Als ich Aaron das erste Mal sah, war er so klein und zerbrechlich. Er sehnte sich danach, gehalten und umsorgt zu werden,“ erinnert sich IJM Anwältin Sheila Guico. „Durch die Zuneigung seiner Pflegefamilie und die Trauma-informierte psychosoziale Therapie hat er ins Leben zurückgefunden. Er ist so fröhlich und ausgelassen.“

Hoffnung im Kampf gegen ein globales Verbrechen

Die sexuelle Online-Ausbeutung von Kindern ist eine der am schnellsten wachsenden Formen moderner Sklaverei im digitalen Zeitalter. 

Aber Aarons Geschichte macht Hoffnung: Wenn wir uns mit vereinten Kräften und den notwendigen Ressourcen dem Verbrechen entgegenstellen, können wir Straftaten aufdecken und Täter/-innen weltweit zur Verantwortung ziehen.

Denn ein globales Verbrechen, wie die sexuelle Online-Ausbeutung, erfordert eine globale Antwort, um sowohl das Angebot als auch die Nachfrage im Internet zu beenden. Nur so können wir Kinder schützen, bevor wir sie befreien müssen.

 

*Zum Schutz der Betroffenen verwenden wir ein Pseudonym.
Alle Bilder sind nachgestellt.  

Petition für mehr Kinderschutz im Internet

  1. Mehr Kinderschutz ins Gesetz – Grauzonen für Täter/-innen im deutschen Strafrecht schließen
  2. Mehr Kinderschutz digital – Tech-Konzerne und Geldtransferunternehmen zu proaktiver Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verpflichten
  3. Mehr Kinderschutz durch Strafverfolgung – Ermittler/-innen durch finanzielle Mittel/Personal sowie weiter reichende Befugnisse und gezielte Fortbildungen besser ausstatten
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