Ausweg aus der Ausweglosigkeit

Nach jahrelangem Engagement für nepalesische Mädchen, die nach Indien verschleppt wurden, setzt sich Maiti Nepal nun auch verstärkt gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen in Nepal selbst ein. Mit einem Übergangsheim wird jungen Frauen geholfen, durch schulische und berufliche Ausbildung den Ausstieg aus der Prostitution zu schaffen.

„Ein stark betrunkener Stammkunde nahm mich mit in ein Hinterzimmer und vergewaltigte mich. Als ich schrie, schlug er zu. Ich hatte keine Chance.“

Malati (Name geändert), 15 Jahre

»Fast alle Männer die hierherkommen, wollen nur Sex. Das Wort »Massage« existiert nur auf der Leuchtreklame über dem Eingang.« berichtet Malati Pariyar*, die bis zu 20 Kunden am Tag empfangen musste oder um es so auszudrücken, wie sie es empfunden hat, die bis zu 20 Mal am Tag vergewaltigt wurde.

Ihr Schicksal ist schnell erzählt und gleicht dem, mehrerer tausend anderer Mädchen und Frauen, die derzeit in Nepal in den einschlägigen Bars, Restaurants und Vergnügungslokalen sexuell missbraucht werden. Mit 13 Jahren verlor Malati ihren Vater, der in einem Feuergefecht zwischen Maoisten und Regierungstruppen ums Leben kam. Um ihrer Mutter und vier jüngeren Geschwistern zu helfen, ging Malati nach Kathmandu und arbeitete dort zunächst als Küchenhilfe in einem Restaurant. Eine Freundin erzählte ihr von einer Arbeitsstelle in einer Dance Bar, wo sie als Serviererin 6.000 Nepalesische Rupien (umgerechnet 60 Euro) pro Monat verdienen könne. Ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was auf sie zukommen sollte, willigte sie ein. Schon nach wenigen Tagen passierte das, was Malati bis heute als den schlimmsten Tag in ihrem Leben bezeichnet. »Ein stark betrunkener Stammkunde nahm mich mit in ein Hinterzimmer und vergewaltigte mich. Als ich schrie, schlug er zu. Ich hatte keine Chance und konnte mich nicht wehren.«

Der maoistische Aufstand und jahrelange Bürgerkrieg in Nepal hat zu einer politischen Instabilität mit weitreichenden Folgen geführt. Korruption und Kriminalität sind sprunghaft angestiegen, die öffentliche Ordnung ist nicht mehr gegeben. Am Rande dieses Macht- und Rechtsvakuums hat in den vergangenen Jahren auch die versteckte Prostitution stark zugenommen. Dance Bars, Cabin Restaurants und Massage Parlours schießen wie Pilze aus dem Boden. Gleichzeitig treiben Armut, Arbeitslosigkeit und damit verbundene Perspektivenlosigkeit viele zumeist junge Menschen in die Hauptstadt. Für die Besitzer der zwiespältigen Etablissements ist es daher sehr einfach, junge Frauen, die oftmals verzweifelt Arbeit suchen und keine Bildung haben, mit attraktiven Arbeitsangeboten zu locken.

»Die Schwierigkeit bei der Arbeit mit den betroffenen Frauen in Kathmandu ist, dass die Grenzen zwischen Zwang und Freiwilligkeit nicht immer so klar erkennbar sind wie im Fall von Malati«, beschreibt Janeit Gurung, die zuständige Projektkoordinatorin von Maiti Nepal die Situation. »Wenn die jungen Mädchen erst einmal in den Dance Restaurants tätig sind, gibt es für sie meist keinen Ausweg mehr.«

Ein behütetes Umfeld und eine alternative Berufsausbildung – das sind die Ziele des neuen Halfway Homes, das Maiti Nepal im November 2009 eröffnet hat. Hierbei handelt es sich um ein Übergangshaus, in dem eine kleine Gruppe von jungen Frauen gemeinsam mit einer Hausmutter selbständig lebt. Während einige Mädchen ihren Schulabschluss nachholen, machen andere eine handwerkliche Ausbildung, beispielsweise als Bäckerin, Schreinerin oder Installateurin.

»Das Halfway Home soll den jungen Frauen eine Richtungsänderung in ihrem Leben ermöglichen«, erklärt Janeit Gurung. Haben sie erst einmal erkannt, dass sie eine realistische Chance auf einen Neuanfang haben, kehrt in den meisten Fällen auch das Selbstbewusstsein zurück. Mit der neuen Perspektive sind die Mädchen wieder offen für ihr Leben. Sie schmieden Pläne und träumen von einer besseren Zukunft. So auch Malati, die ihr neues Ziel klar vor Augen hat: »Ich möchte später einmal Ärztin werden und all den Frauen helfen, die Tag für Tag in den Dance Restaurants und Bordellen missbraucht werden und um deren Gesundheit sich niemand kümmert. Trotz allem was passiert ist, möchte ich beweisen, dass ich ein guter Mensch bin!«

* Name geändert