Armut und Behinderung – eine grausame Kombination

Wie Kinder mit Behinderung und ihre Familien gestärkt werden

Menschen mit Behinderung sind in Nepal benachteiligt, werden ausgegrenzt und wachsen oft ohne Förderung und Bildung auf. Laut Unicef haben Kinder mit Behinderung ein drei- bis viermal höheres Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. Viele werden vernachlässigt und missbraucht. Mit gezielten Programmen fördert Nepal Matri Griha Kinder mit Behinderungen und unterstützt ihre Familien.

Es ist Punkt 15 Uhr, als die Schulglocke läutet. Im Schulhaus von Nepal Matri Griha herrscht Aufbruchsstimmung. Dutzende Kinder strömen über die Treppe des fünfstöckigen himmelblauen Gebäudes hinaus auf den Schulhof und machen sich auf den Nachhauseweg. Die Kinderorganisation Nepal Matri Griha betreibt mitten im Stadtviertel Gangabu in Kathmandu eine Schule für 365 sozial stark benachteiligte Kinder. „Der Zugang zu Bildung wäre diesen Kindern aufgrund ihrer Armut verwehrt gewesen. Sie haben meist nicht einmal genug zu essen“, berichtet Joga Singh Dami, der Direktor der Organisation.

Jedes fünfte Kind, das durch Nepal Matri Griha betreut wird, ist körperlich oder geistig behindert. So betreibt die Organisation unmittelbar neben dem Schulgebäude ein Therapiezentrum für über 100 Kinder mit verschiedenen Behinderungen. Mit Physio- und Sprachtherapie sowie Unterricht in speziell betreuten Klassen werden Kinder mit Behinderungen vielseitig gefördert und unterrichtet. In einem Land wie Nepal werden Menschen mit Behinderung diskriminiert und stehen am äußersten Rand der Gesellschaft. Sie werden gemieden und verachtet und ihre Familien sind einer enormen wirtschaftlichen Belastung ausgesetzt.

Wie schwierig und herausfordernd das Leben mit einer Behinderung ist, zeigt das Schicksal von Bimala Shamal, deren Sohn Shankar an den Folgen der Cerebralparese leidet und stark beeinträchtigt ist. Der Vater hat die Familie nach der Geburt von Shankar verlassen, und so war Bimala von Anfang an mit ihrem Sohn auf sich allein gestellt. Um für sich und Shankar zu sorgen, zieht die junge Mutter als Tagelöhnerin von Baustelle zu Baustelle. Für sechs Stunden körperlicher Schwerstarbeit erhält sie gerade einmal 4 Euro. Wegen der hohen Lebenshaltungskosten in Kathmandu reicht das Geld nicht einmal für zwei Mahlzeiten am Tag.

Über sechs Jahre nahm Bimala ihren kleinen Sohn Tag für Tag mit auf die Baustellen. Während sie arbeitete, musste Shankar am Rand der Baustelle über viele Stunden ausharren – bei glühender Hitze, monsunartigem Regen oder eisiger Kälte im Winter. Über eine Arbeitskollegin erfuhr Bimala von Nepal Matri Griha und bat die Organisation um Hilfe, die Shankar daraufhin sofort aufgenommen hat. Bimala war erleichtert und dankbar zu spüren, dass es Menschen gibt, die sich um das Wohl ihres Kindes kümmern. Von diesem Tag an war Shankar nicht mehr isoliert und durfte mit anderen Kindern zusammen lernen und spielen. Dies ist nun zwei Jahre her. Seitdem bringt Bimala jeden Morgen ihren mittlerweile 10-jährigen Sohn in einem Tragetuch ins Therapiezentrum. „Shankar kommt sehr gerne zu uns in die Schule, ist fleißig, aufmerksam und lernt schnell“, lobt seine Lehrerin Babita Mahara.

Ein wichtiger Bestandteil der Betreuung ist die tägliche Physiotherapie. Mit gezielten Übungen arbeiten die Therapeuten mit den Kindern und behandeln sie mit Respekt, Zuwendung und Geduld. Shankar ist sehr ehrgeizig und hat es in den letzten zwei Jahren bereits geschafft, selbstständig zu sitzen, zu essen und sogar zu schreiben. Für ihn ist dies ein großer Fortschritt, der ohne die Therapien von Nepal Matri Griha undenkbar gewesen wäre.